Wie sicher sind die Ergebnisse?
Grundlagen der Datenerhebung und Unsicherheitsbetrachtung
Das Emissionskataster Baden-Württemberg weist die Jahresemissionen von Luftschadstoffen und Treibhausgasen auf Ebene der Gemeinden in Baden-Württemberg für das jeweilige Bezugsjahr aus. Da die Daten zu den einzelnen Schadstoffquellen mit unterschiedlichsten Methodiken erhoben und berechnet werden, liegen den Emissionsdaten entsprechend der verwendeten Grundlagen verschiedene Unsicherheitsbereiche bzw. Fehlertoleranzen zugrunde.
Der Leitfaden „Gute fachliche Praxis“ des Weltklimarats (IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change) charakterisiert eine adäquate Unsicherheitsbetrachtung als ein wesentliches Element eines vollständigen, vergleichbaren Emissionsinventars (Good Practice Guidance [GPG 2000]). Mit zunehmender Unsicherheit der angegebenen Emissionsdaten sinken die Aussagekraft und der Grad der Überprüfbarkeit der Daten.
Da die Unsicherheiten in den Gesamtinventaren oft nicht quantifiziert werden können, werden diese in der Regel rein qualitativ betrachtet. Die Beschreibung der Unsicherheiten bei der Emissionsberechnung und bei den angegebenen Emissionsdaten im Luftschadstoff-Emissionskataster der LUBW orientiert sich am EMEP/EEA Air pollutant emission inventory guidebook [EMEP 2009] und am EMEP Emission Inventory Guidebook 2004 „Good Practice Guidance for CLRTAP Emission Inventories“ [CLRTAP 2004].
Werden Schadstoff-Emissionen nicht direkt durch Messungen an der Quelle (z.B. am Kamin) ermittelt – und auch hier geht die Messunsicherheit in die errechnete Jahresfracht ein –, wird für die Bestimmung der Emission eines Schadstoffes folgende Gleichung A herangezogen:
Emissioneni = ∑Aktivitäten Aktivitätsrate x EmissionsfaktorAktivität, i (Gleichung A)
Als Aktivität ist dabei der Prozess zu verstehen, auf den sich die Emissionsaussage bezieht. Das kann z. B. die Verbrennung von kohlenstoff- und stickstoffhaltigen Substanzen sein (z. B. kg Heizöl pro Jahr) oder das Lackieren eines Bauteiles (in kg Lack pro Jahr) oder die von einem Fahrzeug zurückgelegte Strecke (in km pro Jahr). Aktivitätsdaten werden in der Regel aus Betreiberangaben, über Statistiken, aus ökonomischen Daten oder aus Zähldaten (Verkehr) gewonnen. Je kleinräumiger dabei diese Daten erhoben werden, desto genauer sind die daraus gewonnenen Aktivitätsdaten und desto kleiner ist auch die Unsicherheit in den ausgewiesenen Emissionsdaten. Gleichzeitig erhöht sich bei steigendem Detaillierungsgrad aber auch der Aufwand, der in die Datenerhebung fließt. Einzelne Daten liegen auch nur auf Länderebene vor, werden nur zu bestimmten Stichtagen/-jahren erhoben, unterliegen dem Datenschutz oder sind in manchen Jahren schlichtweg nicht verfügbar.
Der Emissionsfaktor quantifiziert die Menge eines Schadstoffes, die bei einem bestimmten Prozess an die Umgebung abgegeben wird. Der Emissionsfaktor stellt dabei den Durchschnittswert über prozessspezifische Merkmale dar. Diese – gerade im Anlagenbereich – oft länderspezifischen Parameter unterliegen teils großen Schwankungen. So sind Emissionsfaktoren immer als Mittelwerte über einen bestimmten Querschnitt von Anlagen oder Prozessen zu betrachten. Sie verändern sich auch zwischen den Erhebungsjahren, was vor allem bei Zeitreihenbetrachtungen eine wichtige Rolle spielt. Diese Methodik birgt auch den Fehler, dass die Faktoren unter „typischen“ Betriebsbedingungen ermittelt wurden, die nicht unbedingt die tatsächliche Emissionssituation im jeweiligen Bezugszeitraum widerspiegeln.
Die folgende Tabelle zeigt für fünf definierte Gütestufen ein unterstelltes Unsicherheitsintervall nebst einer kurzen Definition, wie die Emissionsfaktoren im Allgemeinen ermittelt wurden.
| Gütestufe | Definition | Unsicherheitsintervall |
|---|---|---|
| A | Wert, der auf Messungen an vielen Anlagen basiert, die den Sektor komplett abbilden | 10 bis 30 % |
| B | Wert, der auf Messungen an vielen Anlagen basiert, die einen Großteil des Sektors abbilden | 20 bis 60 % |
| C | Schätzung basierend auf Messungen an einer geringen Zahl von repräsentativen Anlagen des Sektors | 50 bis 150 % |
| D | Schätzung basierend auf einzelnen Messungen oder Expertenmeinung | 100 bis 300 % |
| E | Expertenmeinung basierend auf Annahmen | >> 300 % |
Quelle: Einstufung nach EMEP/EEA emission inventory guidebook 2013, Chapter 5 „Uncertainties“ [EMEP 2013], (Unsicherheitsrelevanz E = hoch, A = niedrig)
Die Unsicherheit – oder der Fehler – eines berechneten Emissionswertes setzt sich nach Gleichung A additiv zusammen aus der Unsicherheit des Aktivitätswertes und der Unsicherheit des Emissionsfaktors.
Unsicherheitsbetrachtung bei den Quellengruppen des Luftschadstoff-Emissionskatasters Baden-Württemberg
Die Einstufung der Unsicherheit bei den Emissionsfaktoren in der Tabelle 1 wird in Tabelle 1 benutzt, um auch die Unsicherheit in der Emissionserhebung selbst in den einzelnen Quellengruppen qualitativ zu beschreiben. Die angenommenen Unsicherheiten in den Aktivitätszahlen und die Unsicherheiten in den Emissionsfaktoren werden dabei quasi summiert und in Form eines Wertes für die Datenqualität für jede Quellengruppe dargestellt. In der folgenden Tabelle wird für alle untersuchten Quellengruppen bzw. Einzelquellen eine qualitative Beurteilung der Datengüte dargestellt.
| Quellengruppe | Einzelquelle | Datenbasis (Aktivitätsdaten) | Gütestufe |
|---|---|---|---|
| Kleine und Mittlere Feuerungsanlagen | Brenngase | Strukturdaten Gebäude, Zensusdaten, Versorgungs- und Verbrauchsdaten, spezifische Emissionsfaktoren | B |
| Heizöl EL | Strukturdaten Gebäude, Zensusdaten, Versorgungsdaten, spezifische Emissionsfaktoren | C | |
| Festbrennstoffe | Strukturdaten Gebäude, Zensusdaten, spezifische Emissionsfaktoren | E | |
| Verkehr | Straßenverkehr | Bundesverkehrszählung, Emissionsfaktoren-Handbuch, (HBEFA in der aktuellen Fassung) | B |
| Off-Road-Verkehr (Schifffahrt, Motorsport, Bahn, Flughafen) | Kraftstoffverbrauch, spezifische Emissionsfaktoren | D | |
| Industrie und Gewerbe | Industrie | Emissionserklärungen nach 11. BImSchV sowie PRTR-Daten2) (Emissionsfrachten durch Betreiber gemessen bis abgeschätzt) | A - C1) |
| Gewerbe | Anzahl Betriebe durch Umfrage bei den Kommunen, branchenspezifische Emissionsfaktoren | C | |
| Biogene Systeme | Landwirtschaftliche Tätigkeiten | Viehbestand, spezifische Emissionsfaktoren | D |
| Wildtiere | Wildabschusszahlenstatistik, spezifische Emissionsfaktoren | E | |
| Natürliche Vegetation | Bodennutzung, spezifische Emissionsfaktoren | E | |
| Bevölkerung / Abwasserkanäle | Einwohnerstatistik, spezifische Emissionsfaktoren | E | |
| Gewässer / Feuchtgebiete | Gewässerstatistik, spezifische Emissionsfaktoren | E | |
| Sonstige Technische Einrichtungen | Abfalldeponien | PRTR-Daten2), Hausmüllstatistik, spezifische Emissionsfaktoren | D |
| Abwasserbehandlung | Kläranlagenstatistik, spezifische Emissionsfaktoren | D | |
| Produkteinsatz | Produktverbräuche, spezifische Emissionsfaktoren | D | |
| Erdgasverteilungsnetze | Verbrauchsdaten, spezifische Emissionsfaktoren | D | |
| Biogasanlagen | Gasmangen, spezifische Emissionsfaktoren | D | |
| Grundwasserförderung | Wasserbilsnz, spezifische Emissionsfaktoren | D | |
| Geräte/Maschinen/Fahrzeuge | Gerätestatistik, gerätespezifische Kennzahlen und Kraftstoffverbräuche | C |
- EMEP/EEA air pollutant emission inventory guidebook 2019 Technical guidance to prepare national emission inventories EEA Report No 13/2019, ISSN 1977-8449
- „Uncertainties“ Version Guidebook 2019