FFH-Lebensraumtyp 6110* - Kalk-Pionierrasen*
Dieser Lebensraumtyp ist geprägt durch eine offene, lückige Vegetation aus verschiedenen Fetthennen-Arten und kalkliebenden Gräsern auf Felskuppen, Felsschutt und Felsbändern. Vielfach sind auch niedrige Stauden und einjährige Kräuter anzutreffen. Charakteristisch für diesen Lebensraumtyp sind trocken-warme Standortbedingungen in Verbindung mit feinerdearmem Untergrund. Der Lebensraumtyp ist an Extremstandorten mit großer Steilheit und Exposition zu finden. Daher können hier viele konkurrenzschwache Arten leben, die sich an diese extremen Bedingungen angepasst haben und die auf anderen Standorten von konkurrenzkräftigeren Pflanzen verdrängt würden.
Biotoptypen Baden-Württembergs
Folgende Biotoptypen für die freie Landschaft, den besiedelten Bereich oder die Wälder, mit ihren Schlüsselnummern sind dem FFH-Lebensraumtyp 6110 zugeordnet:- 21.10 - Offene Felsbildung
- 36.70 - Trockenrasen
Eine ausführliche Beschreibung aller Biotoptypen ist enthalten im
Datenschlüssel Baden-Württemberg: "Arten, Biotope, Landschaft - Schlüssel zum Erfassen, Beschreiben, Bewerten".
Kennzeichnende Pflanzengesellschaften
- Verbände Alysso alyssoidis-Sedion albi, Festucion pallentis
- Weiße Fetthenne (Sedum album)
- Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre)
- Öhrchen-Gänsekresse (Arabis recta)
- Trauben-Gamander (Teucrium botrys)
- Dreifinger-Steinbrech (Saxifraga tridactylites)
- Kelch-Steinkraut (Alyssum alyssoides)
- Hornkraut-Arten (Cerastium spp.)
Bei diesem seltenen Lebensraumtyp handelt es sich meist um Primärbiotope, die von Natur aus sehr kleinflächig an besonnten Felsstandorten vorkommen. Kalk-Pionierrasen bieten vielen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum, was die besondere naturschutzfachliche Bedeutung dieses Lebensraumes unterstreicht. Unter diesen Tier- und Pflanzenarten sind insbesondere solche zu finden, für die in der Kulturlandschaft keine geeigneten Habitate zur Verfügung stehen. Kalk-Pionierrasen sind nach Landesnaturschutzgesetz (NatSchG) bzw. Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geschützt.
Gesamtverbreitung
Der Lebensraumtyp Kalk-Pionierrasen ist fast in der gesamten Europäischen Union verbreitet. Im Norden reicht sein Vorkommen bis in die boreale Region Schwedens, im Süden tritt er in der gesamten mediterranen Region auf. Gänzlich fehlt er nur in den nordeuropäischen Ländern Großbritannien, Irland, Dänemark, Finnland, Estland und Litauen.
Kalk-Pionierrasen sind in Deutschland lokal, besonders im Süden verbreitet. Ihre Hauptvorkommen sind in der Schwäbischen und Fränkischen Alb sowie im Kyffhäuser zu finden.
Verbreitung in Baden-Württemberg
- 2018 gemeldete LRT-Gesamtfläche: 35 ha
- der Großteil der Bestände des LRT liegt in FFH-Gebieten
Bestandsentwicklung in Baden-Württemberg
Der LRT 6110 ist in seiner Verbreitung und Fläche stabil, wird jedoch in seiner Struktur und Funktion beeinträchtigt. Gründe dafür liegen in den hohen Gams-Populationen im Donautal, welche sich negativ auf die natürlichen Bestände auf Felsköpfen auswirken. Sekundäre Bestände hingegen werden durch einen Ausfall der extensiven Landwirtschaft gefährdet. Gerade auf Grenzertragsstandorten ist solch ein Ausfall der Grünlandwirtschaft ein Problem. Der DAV beteiligt sich an Freistellungsmaßnahmen, um den Zustand zu verbessern.
Gefährdung und Schutz
Rote Liste Biotoptypen | Schutzstatus | FFH-Richtlinie |
Baden-Württemberg | Baden-Württemberg | Anhang |
|
| I |
Stand 2019
Gefährdungsursachen
- Nur bei anthropozoogen entstandenen Flächen: Nutzungsänderungen (z.B. Umbruch, Aufforstung, Aufgabe der Nutzung)
- Nur bei Beständen auf Felsköpfen und -bändern: Gesteinsabbau, Klettersport, sonstige Freizeitaktivitäten wie Wandern
- Bestände innerhalb von Kalk-Trockenrasen bzw. Halbtrockenrasen: Ablagerungen (z.B. Schlagabraum, Rindenabfälle, Schnittgut, Gartenabfälle, landwirtschaftliche Abfälle etc.)
- Veränderungen des Umfeldes (z.B. Aufforstung im direkten Umfeld von Felsbiotopen, kann zum Verlust seltener lichtbedürftiger Arten führen )
- Bei einigen Beständen: gelegentliche Entbuschung in mehrjährigen Zeiträumen
- Schaffung offener Bodenstellen durch gezielte Störungen
- Nur bei Beständen innerhalb von Kalk-Trocken- bzw. Halbtrockenrasen: Einrichtung des Pferchs außerhalb des FFH-Lebensraumtyps
- Förderung von Hutweiden gegenüber Stand- oder Koppelweiden
- Bestände auf Felsköpfen und -bändern: Sperrung von Zugängen zu den entsprechenden Bereichen, Erstellung von Konzepten zur Besucherlenkung
- Erstellung eines Biotophilfskonzept in Nordost-Baden-Württemberg und im Schwarzwald
- Umsetzung der FFH-Richtlinie
FFH-Erhaltungszustand
Die FFH-Richtlinie ist eine Naturschutz-Richtlinie der EU, deren Name sich von Fauna (= Tiere), Flora (= Pflanzen) und Habitat (= Lebensraum) ableitet. Wesentliches Ziel ist die Erhaltung der biologischen Vielfalt durch den Aufbau eines Schutzgebietssystems für die Lebensraumtypen des Anhangs I und Arten des Anhangs II der Richtlinie. Außerdem werden die Erhaltungszustände der Lebensraumtypen und Arten (Anhang II, IV, V) überwacht.
FFH-Gebiete
Karten und Steckbriefe (mit Angabe der Flächengröße, den vorkommenden LRT und Arten etc.) zu den FFH-Gebieten erhalten Sie im Daten- und Kartendienst der LUBW.
Erhaltungszustand des Lebensraumtyps in Baden-Württemberg
Verbreitungsgebiet | Fläche | Strukturen und Funktionen | Zukunftsaussichten | |
Einzelbewertung | günstig | günstig | ungünstig-unzureichend | ungünstig-unzureichend |
Gesamtbewertung | ungünstig-unzureichend |
Stand 2018
Weitere Informationen zu den Erhaltungszuständen der FFH-Lebensraumtypen erhalten Sie auf den Natura 2000-Internetseiten der LUBW.
Erhaltungszustand aller FFH-Lebensraumtypen in Baden-Württemberg (pdf; 0,3 MB)
Beeinträchtigung von FFH-Gebieten Naturschutz-Praxis, Natura 2000: Beeinträchtigungen, Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen von Lebensraumtypen und Lebensstätten von Arten zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Baden-Württemberg - 1. Auflage 2002).