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null LUBW veröffentlicht aktualisierte Rote Liste Heuschrecken und Fangschrecken

30 von 70 Arten sind in Baden-Württemberg gefährdet

14.06.2022

Karlsruhe. Die LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg hat heute die aktualisierte Rote Liste der Heuschrecken und Fangschrecken veröffentlicht. Die erste Einstufung für Baden-Württemberg für diese Insektengruppe stammt aus dem Jahr 1998. Die neue Einordnung profitiert unter anderem vom Erkenntnisgewinn durch das landesweite Insektenmonitoring. So wurden die Gefährdungseinstufungen auf Basis von über 130.000 Datensätzen vorgenommen.

Rund 42,9 Prozent der Arten Baden-Württembergs sind als bestandsgefährdet eingestuft, das sind 30 von 70 Arten des Landes. Diese Zahl liegt etwa auf dem gleichen Niveau wie bei der Roten Liste von 1998. Die Situation hat sich für die Heuschrecken und Fangschrecken in der Gesamtschau also wenig verändert. Deutliche Unterschiede sind allerdings mit einem Blick auf die einzelnen Arten zu erkennen.  

Gefährdung: Veränderungen wahrnehmen

„Bei 31 Arten hat sich die Gefährdung verändert. Die neue Rote Liste der Heuschrecken und Fangschrecken verdeutlicht, wie wichtig regelmäßige Erhebungen von Arten sind, um frühzeitig auf Veränderungen reagieren zu können“, führt Werner Altkofer, stellvertretender Präsident der LUBW, aus.

17 Arten konnten im Vergleich zur Roten Liste von 1998 positiver eingestuft werden, während gleichzeitig 14 Arten nun eine stärkere Gefährdung aufweisen. Acht Arten gelten im Land als vom Aussterben bedroht.

Gewinner: Wärmeliebende Überlebenskünstler

Von den aktuellen Klimaveränderungen profitieren beispielsweise wärmeliebende Arten wie die im Jahr 1998 noch als ausgestorben eingestufte heimische Große Schiefkopfschrecke. Sie hat sich in den letzten Jahren massiv ausgebreitet. In den Jahren 1998 bis 2000 wurden zunächst einzelne Tiere am Bodensee bei Eriskirch und Friedrichshafen entdeckt. Begünstigt durch die heißen Sommer der Jahre 2003 und 2006 wanderten sie weiter nach Norden und besiedeln mittlerweile die gesamte Rheinschiene. Die Art gilt deshalb aktuell nicht mehr als gefährdet.

Verlierer: Lebensraum-Spezialisten

„Verlierer der vergangenen zwei Jahrzehnte sind anspruchsvolle Arten, die Spezialisten für bestimmte Lebensräume sind“, erläutert Altkofer und ergänzt: „Dies bestätigt leider abermals den generellen Rückgang der Vielfalt an Lebensräumen und damit einhergehend an Arten - auch in Baden-Württemberg.“

Rotleibiger Grashüpfer

Wie eng die Artenvielfalt an die Vielfalt der Landschaft und die teils seit Jahrhunderten geprägte Landnutzung gebunden ist, zeigt beispielhaft die Gefährdungssituation des Rotleibigen Grashüpfers. Die Art benötigt vollbesonnte, kurzrasige Magerrasen, die insbesondere durch die Wanderschäferei auf der Schwäbischen Alb und im Schwarzwald entstanden sind. Wird diese extensive Beweidungsform aufgegeben, wachsen die Flächen zu und auch der Lebensraum des Rotleibigen Grashüpfers geht verloren.

Rotflügelige Ödlandschrecke

Das Vorkommen der vom Aussterben bedrohten Rotflügeligen Ödlandschrecke hat sich seit dem Jahr 1998 trotz der schon lange bekannten und sehr hohen Gefährdungslage halbiert. In weiten Landesteilen sind die Bestände mittlerweile flächenhaft erloschen. Gründe hierfür sind die mangelnde Nutzung und Pflege von wenig ertragreichen und schwer zugänglichen Flächen sowie der zunehmende Nährstoffeintrag in der freien Landschaft, welcher sich durch aufkommende Gehölze und das Zuwachsen lückiger Standorte zeigt. So verlieren ehemals von der Rotflügeligen Ödlandschrecke besiedelte Flächen wie Trockenrasen, Felsschutthalden und große, vegetationsarme Schotterflächen ihre Eignung als Lebensraum.

Spezialisten können schlechter eine neue Heimat finden

Die Landschaft wird immer intensiver genutzt. Vor allem besondere Lebensräume wie Trockenrasen oder Feuchtwiesen gehen dadurch vermehrt verloren. Anspruchsvolle Arten reagieren auf diese Veränderungen sehr empfindlich. Da sie als Spezialisten an die Lebensbedingungen solcher Standorte angepasst sind, können sie bei Verlust ihres Lebensraums nur schlecht ausweichen.

„Gezielte Schutzbemühungen und -maßnahmen, wie sie beispielsweise im Rahmen des landesweiten Arten- und Biotopschutzprogramms umgesetzt werden, sind unumgänglich, um eine weitere Verschlechterung der Situation in den kommenden Jahren zu vermeiden. Der Fortbestand vieler sehr seltener Arten, wie zum Beispiel der Wanstschrecke ist von solchen bereits bestehenden Schutzmaßnahmen abhängig. Es braucht aber viel Zeit, bis sich diese auch in einer Verbesserung der Gefährdungskategorie niederschlagen“, so Altkofer. „Letztendlich entscheiden wir alle darüber, wie vielfältig unsere Lebenswelt in Zukunft noch ist.“

Publikation enthält Informationen zu jeder baden-württembergischen Art

Die 180-seitige Publikation „Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Heuschrecken und Fangschrecken Baden-Württembergs“ stellt jede der 70 baden-württembergischen Arten kurz vor. Kompakte Steckbriefe einschließlich landesweiter Nachweiskarten zu den einzelnen Arten enthalten weiterführende Informationen zur Verbreitung im Land und zu den jeweiligen Gefährdungsursachen. Damit ist die Rote Liste eine wichtige Arbeitsgrundlage für die amtlichen und ehrenamtlichen Naturschützerinnen und Naturschützer sowie die entsprechenden Fachplanungsbüros im Land. Sie steht im Publikationsdienst der LUBW unter der Webadresse https://pd.lubw.de/10248 kostenlos als PDF-Datei zum Herunterladen bereit. Im Laufe des Spätsommers/Herbsts 2022 wird an dieser Stelle außerdem eine kostenpflichtige gedruckte Fassung zum Kauf angeboten.

Vollständige Titelangabe  

Detzel, P., H. Neugebauer, M. Niehues & P. Zimmermann (2022): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Heuschrecken und Fangschrecken Baden-Württembergs. Stand 31.12.2019. – Naturschutz-Praxis Artenschutz 15

 

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