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null Umweltminister Franz Untersteller gibt Startschuss für Mikroplastikuntersuchungen in Baden-Württemberg

LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz nimmt Proben in Rhein, Neckar und Bodensee

07.08.2014
Umweltminister Franz Untersteller gab heute in Lauffen am Neckar den offiziellen Startschuss für Mikroplastikuntersuchungen in den baden-württembergischen Gewässern. Für diese Untersuchungen wird das Messschiff „Max Honsell“ der LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg eingesetzt. Die LUBW koordiniert die Untersuchungen und konnte für die wissenschaftliche Betreuung den Spezialisten Professor Dr. Christian Laforsch von der Universität Bayreuth gewinnen. Untersteller ließ für die erste symbolische Probennahme im Neckar ein Netz von der „Max Honsell“ ins Wasser. Dabei handelt es sich um ein „Manta Trawl“, das speziell für die Probenahme von Wasseroberflächen entwickelt wurde. 

Bilder von im Meer treibendem Plastikmüll sind uns schon lange gegenwärtig. Dieser zersetzt sich und wird zu Mikroplastik, das von Meerestieren aufgenommen wird. Die Verbreitung von Mikroplastik in der marinen Umwelt ist inzwischen gut dokumentiert. Dagegen weiß man bisher wenig über die Verbreitung von Mikroplastik in den heimischen Flüssen und Seen. 

„Kunststoffe haben unser Leben zwar in vielen Bereichen positiv verändert“, erklärt der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller, „aber wie alle Dinge hat auch Kunststoff eine zweite Seite, eine Nebenwirkung, die uns zunehmend Probleme macht. Kunststoffe besitzen eine extrem lange Abbauzeit von mehreren hundert Jahren. Viele Kunststoffe, die in die Umwelt gelangt sind, sind auch heute noch dort zu finden. Wir hinterlassen den kommenden Generationen ein langlebiges und unangenehmes Erbe, dessen Risiko wir kaum abschätzen können.“

Im letzten Herbst hat eine Untersuchung am italienischen Gardasee die Verantwortlichen in Europa aufhorchen lassen. Im Sediment wurde Mikroplastik gefunden. Bisher war man davon ausgegangen, dass Mikroplastik eher ein Thema der Meere sei.

„Wir nehmen von politischer Seite diese Tatsachen sehr ernst“, betont Umweltminister Untersteller. „Deshalb haben wir die LUBW beauftragt, die baden-württembergischen Gewässer auf Mikroplastik zu untersuchen. Mit gesicherten Erkenntnissen können wir gezielt handeln und die richtigen Konsequenzen ziehen – national und international.“

Die Präsidentin der LUBW, Margareta Barth, ergänzt: „Wir sind froh, dass wir für diesen Auftrag Professor Laforsch gewinnen konnten. Er hat die Untersuchungen am Gardasee durchgeführt und tätigt zurzeit weitere in Bayern. So ist durch eine einheitliche Untersuchungsmethode die Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewährleistet.“

Laforsch ist für die erste Probenahme am Neckar nach Lauffen gereist und bespricht mit den Mitarbeitern der LUBW das Vorgehen. Er berichtet: „Wir haben an manchen Uferbereichen des Gardasees Konzentrationen von Mikroplastikpartikel gefunden, die den hohen Konzentrationen an Meeresstränden entsprachen. Wir konnten beispielsweise die Kunststoffe PVC, Polystyrol und Polyethylen identifizieren. Diesen sind oft weitere Chemikalien wie Weichmacher oder Flammschutzmittel zugesetzt. Würmer, Schnecken, Muscheln, Wasserflöhe und Muschelkrebse nehmen das Mikroplastik mit der Nahrung auf und dienen dann selbst wiederrum als Nahrungsquelle für Fische.“

Die gefundenen Kunststoffteile stammen vorwiegend von Konsumgütern und Verpackungen und geraten direkt oder über unsachgemäße Entsorgung in Oberflächengewässer, verrotten und werden zu Mikroplastik. „Wir vermuten, dass die Kontamination in Gewässern nahe städtischer Zentren und Industriegebiete noch stärker sein könnte“, so Laforsch. „Bisher beschäftigen sich nur wenige Studien mit Mikroplastikpartikeln in Binnengewässern. Darum gibt es noch sehr viele offene Fragen hinsichtlich der Quellen, der eingetragenen Mengen, dem Verbleib und der Folgen für Tiere und das Ökosystem. Diese Studien untersuchten die Donau in Österreich, die Seine in Frankreich, den Genfer See in der Schweiz und die Großen Seen in Kanada. Überall wurde Mikroplastik gefunden. Dies lässt eine globale Problematik von Mikroplastik in Binnengewässern vermuten.“

Die Proben für die Mikroplastikuntersuchungen in den baden-württembergischen Gewässern werden sowohl in Sedimenten als auch im Freiwasser genommen. Die Probenaufbereitung erfolgt über Dichtetrennung mit dem sogenannten „Munich Plastic Sediment Separator“ (MPSS). Diesen entwickelten die Bayreuther Forscher gemeinsam mit Kollegen des Instituts für Wasserchemie und Chemische Balneologie an der TU München. Das Gerät erlaubt, unterschiedliche Plastikpartikel bis zu einer Größe von wenigen Mikrometern aus Proben zu extrahieren. Dann wird das organische Material über ein enzymatisches Verfahren entfernt. Was übrig bleibt, wird mithilfe unterschiedlicher spektroskopischer Methoden identifiziert und quantifiziert. Es wird also festgestellt, wie viel und welches Mikroplastik sich im Wasser und Uferbereich befindet. 

„Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wählen an Rhein, Neckar und Bodensee zwanzig unterschiedliche Probeentnahmestellen aus. Hierbei wird darauf geachtet, dass diese die unterschiedlichen Eintragspfade gut abbilden. Die Probeentnahmestellen liegen in der Nähe von Kläranlagen, an Gewässern mit verschiedenen Abwasseranteilen und unterschiedlich großen Einzugsgebieten“, so Barth. Die Präsidentin der LUBW rechnet mit der Veröffentlichung der Ergebnisse im Herbst 2015.
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