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null Umweltministerium und LUBW legen Erhebung über Spurenstoffe in baden-württembergischen Fließgewässern vor

Daten von über 80 Stoffen ausgewertet

01.10.2014
„Spurenstoffe sind eine neue Herausforderungen für unsere Gewässer“, fasste der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller den heute vorgelegten Bericht „Spurenstoffinventar der Fließgewässer in Baden-Württemberg“ zusammen. „Während wir uns früher vor allem mit Belastungen aus industriellen Prozessen und der Landwirtschaft beschäftigen mussten, rücken jetzt Stoffe in den Mittelpunkt, die jede und jeder von uns oft unbewusst ins Abwasser bringt. Rückstände aus Arzneimitteln zum Beispiel.“

Über einen Zeitraum von knapp einem Jahr hat die LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz in Zusammenarbeit mit dem Technologiezentrum Wasser (TZW) in Karlsruhe kommunale Kläranlagen und Fließgewässer im Land auf Spurenstoffe untersucht. Monatlich entnommene Proben aus 17 Fließgewässern sowie aus den Zu- und Abläufen von sechs repräsentativ ausgewählten Kläranlagen wurden auf insgesamt 86 Stoffe untersucht. 

„Das Ziel unserer umfangreichen Untersuchungen war es, eine möglichst umfassende Übersicht über das Auftreten von national und international intensiv diskutierten Spurenstoffen in den Fließgewässern Baden-Württembergs zu gewinnen“, erklärte Margareta Barth, Präsidentin der LUBW. „Mit diesem Bericht haben wir jetzt hinsichtlich Qualität und Umfang eine bundesweit herausragende Datengrundlage zu Spurenstoffen erarbeitet. Erstmals haben wir einen umfassenden Überblick über das Vorkommen einer Vielzahl organischer Spurenstoffe sowie über das Verhalten dieser Stoffe bei der Abwasserreinigung.“
Das sei auch eine hervorragende Grundlage für die bei der LUBW in Bearbeitung befindlichen Stoffflussmodellierungen, betont die Präsidentin der Landesanstalt. Durch diese lassen sich künftig lokale Belastungsschwerpunkte näher identifizieren. 

Zusammengefasst hat die Datenerhebung gezeigt, dass in allen untersuchten Fließgewässern Belastungen mit organischen Spurenstoffen nachweisbar waren, also von einer flächendeckenden Verbreitung auszugehen ist. Im Mittel wurden etwa 50 Prozent der 86 analysierten Stoffe in den Proben gefunden.
Die Untersuchung belegt außerdem, dass die Belastung eines Flusses oder Baches mit dem Anteil an Abwasser im Gewässer sowie der mittleren Wasserführung, also Abfluss und Wasserstand, zusammenhängt. Überdurchschnittlich belastete Fließgewässer zeichnen sich durch eine geringe mittlere Wasserführung und einen hohen Abwasseranteil aus.

Zwei Ergebnisse seien besonders bemerkenswert, führte Umweltminister Franz Untersteller aus. So seien Arzneimittelrückstände flächendeckend in allen Proben gefunden worden. Viele der untersuchten Arzneimittelwirkstoffe könnten mit der heute üblichen Klärtechnik nicht vollständig zurückgehalten werden. Aber selbst wenn sie zu einem relativ hohen Prozentsatz abgebaut werden könnten, stellten sie wegen der hohen jährlichen Verschreibungsmengen ein Problem dar. 
Er begrüße deshalb das Vorhaben der EU-Kommission, bis zum Herbst 2015 einen Vorschlag für eine Strategie gegen die Verschmutzung der Gewässer durch pharmazeutische Stoffe zu erarbeiten, sagte der Umweltminister:
„Wir müssen möglichst früh ansetzen. Ein bewussterer Umgang mit Arzneimitteln könnte einen wichtigen Beitrag leisten, ebenso die richtige Entsorgung von Arzneimitteln. Übrig gebliebene Tabletten zum Beispiel gehören nicht in die Toilette.“ 
Gleichzeitig werde durch die Ergebnisse des Sondermessprogramms die Spurenstoffstrategie des Landes Baden-Württemberg bestätigt, auch den Ausbau von Kläranlagen an besonders empfindlichen Gewässern oder besonderen Belastungsschwerpunkten zu fördern.

Ein zweites auffälliges Ergebnis der Untersuchung betrifft das giftige und in der Umwelt nicht abbaubare Perfluoroctansulfonat, kurz PFOS. Dabei handelt es sich um eine Verbindung, die in der Vergangenheit hauptsächlich dafür eingesetzt wurde, Materialien wie Textilien, Teppiche und Papier fett-, öl- und wasserfest zu machen. Daneben wurde es früher beispielsweise auch in Feuerlöschschäumen verwendet. Aufgrund seiner toxischen Eigenschaften wurde der Gebrauch in der EU mit Ausnahmen verboten. 
PFOS kann in Kläranlagen nur teilweise zurückgehalten werden. 
Umweltminister Franz Untersteller: „Der effizienteste und wirksamste Schutz vor derartigen Stoffen sind Anwendungsbeschränkungen und im Idealfall ein Verbot. Es geht darum, ihren Eintrag ins Gewässer zu verhindern.“

Der Bericht „Spurenstoffinventar der Fließgewässer in Baden-Württemberg“ steht auf den Internetseiten der LUBW als PDF-Datei zum Herunterladen bereit.
www.lubw.baden-wuerttemberg.de


Ergänzende Informationen:

Die für das „Spurenstoffinventar“ untersuchten Spurenstoffe lassen sich den Stoffgruppen Arzneimittelrückstände und Röntgenkontrastmittel, hormonell wirksame Verbindungen, Pestizid- und Biozid-Wirkstoffe, synthetische Süßstoffe, perfluorierte Verbindungen, synthetische Komplexbildner, Korrosionsinhibitoren, Flammschutzmittel und Weichmacher sowie synthetische Moschusduftstoffe zuordnen.
Rückstände dieser Stoffgruppen werden meist nach ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch aus Haushalten über kommunale Kläranlagen in die Gewässer eingetragen. Sie kommen in der Regel in sehr geringen Konzentrationen vor, üblicherweise weniger als ein Millionstel Gramm pro Liter. 

Die Bewertung der Messergebnisse der einzelnen Spurenstoffe durch die LUBW erfolgte gemäß den in der Oberflächengewässerverordnung oder der neuen EU-Richtlinie 2013/39/EU vorliegenden Umweltqualitätsnormen. Wenn keine entsprechenden Normen vorliegen, wurden andere Vergleichswerte herangezogen, beispielsweise Zielwerte der Wasserversorger.
Für die Mehrzahl der untersuchten Stoffe fehlen allerdings bislang belastbare Bewertungsgrundlagen. 

PFOS ist eine perfluorierte Verbindung. Das bedeutet, dass bei dieser organischen Verbindung Wasserstoffatome vollständig durch Fluoratome ersetzt sind. Diese chemischen Stoffe haben keine natürliche Quelle und werden aufgrund ihrer besonderen physikalisch-chemischen Eigenschaften industriell hergestellt. PFOS gehört zu der Gruppe der persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Stoffe (PBT). Vereinfacht gesagt: Diese Stoffe werden in der Umwelt nicht abgebaut, reichern sich über die Nahrungsaufnahme im Organismus an und sind giftig. 

In der LUBW-Studie wurde PFOS in den kommunalen Kläranlagen nach der Reinigung des Abwassers mit durchschnittlich 13 Nanogramm pro Liter gemessen. Geht man von einer Verdünnung von eins zu zehn aus, würde rechnerisch im Fließgewässer als Eintrag aus der Kläranlage noch immer ein Wert von 1,3 Nanogramm pro Liter erreicht. In der EU-Richtlinie 2013/39/EU wurde erstmals im Jahr 2013 eine Umweltqualitätsnorm für PFOS in Oberflächengewässern von 0,65 Nanogramm pro Liter festgelegt. 
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