Altlastenbearbeitung in Baden-Württemberg
Der Begriff „Altlasten" ist im BBodSchG definiert und beschreibt ehemalige Mülldeponien (Altablagerungen) sowie ehemals industriell oder gewerblich genutzte Grundstücke (Altstandorte), auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen wurde und von denen Gefahren für den Menschen oder die Umwelt ausgehen können.
Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland 1988 begonnen, die Altlastenproblematik systematisch aufzuarbeiten und damit richtungsweisend Verfahren und Methoden zu einer gezielten Altlastenbearbeitung entwickelt.
Zuständig für die Altlastenbearbeitung sind:
- Das Umweltministerium Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (UM) als oberste Bodenschutz- und Altlastenbehörde (Gesetzesgebung, Förderrichtlinien, Verteilungsausschuss Altlasten)
- Die Regierungspräsidien als höhere Bodenschutz- und Altlastenbehörde (Erlasse, Bewilligung von Fördermitteln)
- Die unteren Bodenschutz- und Altlastenbehörden in den Landratsämtern (Führung des Bodenschutz- und Altlastenkatasters, Überwachung und Vollzug)
- Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg zur landesweiten fachlichen Koordination der Altlastenbearbeitung sowie zur Information und Beratung der zuständigen Behörden (Unterstützung des UM und nachgeordneter Behörden bei Stellungnahmen, Mitglied in den 44 Bewertungskommissionen Altlasten bei den unteren Bodenschutz- und Altlastenbehörden (Land- und Stadtkreise), Auswertung der Daten aus dem Bodenschutz- und Altlastenkataster, Erstellung von Leitfäden und Arbeitshilfen, Anerkennungsstelle für Sachversändige Altlasten)
Grundlage der Altlastenbearbeitung in Baden-Württemberg war die am 17. Oktober 1988 vom Ministerrat beschlossene „Konzeption zur Behandlung altlastverdächtiger Flächen und Altlasten in Baden-Württemberg“.
Diese Konzeption sieht zur Bewältigung des Altlastenproblems ein stufenweises Vorgehen vor. Gleichzeitig wurden damit die fachlichen Grundlagen für die Altlastenbearbeitung und ein Finanzierungskonzept für kommunale Altlasten entwickelt.
Baden-Württemberg war das erste Bundesland, das im Jahr 1991 ein eigenständiges Bodenschutzgesetz erlassen hatte. Dieses Gesetz ist mit Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetz zum 1.3.1999 und spätestens mit Erlass des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes zum 29.12.2004 außer Kraft getreten.
Heute stützt sich die Altlastenbearbeitung auf die rechtlichen Vorgaben des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) und der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV), welche die Vorgaben des BBodSchG konkretisiert. Die Erfassung von Altlasten und die Zuständigkeiten ist Sache der Länder und ist im Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetz (LBodSchAG) geregelt.
Stufenweises Vorgehen
Die „Konzeption zur Behandlung altlastverdächtiger Flächen und Altlasten in Baden-Württemberg“ sieht ein stufenweises Vorgehen zur Bearbeitung der Altlastenproblematik vor.
Die Bearbeitung ist in drei Stufen unterteilt: beginnend mit der Erfassung von Verdachtsflächen schließen sich im Rahmen der Gefährdungsabschätzung technische Untersuchungsschritte und gegebenenfalls die Durchführung von Sanierungs- oder Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen an.
- Bei der Erfassung werden Altlastverdachtsflächen aufgrund der Branchenzugehörigkeit ermittelt und deren Historie aufgezeigt.
- Die Gefährdungsabschätzung wird im BBodSchG unterteilt in zwei Stufen: die orientierende Untersuchung und die Detailuntersuchung. Die orientierende technische Untersuchung dient der einfachen Überprüfung des Anfangsverdachts. Am Ende der orientierenden Untersuchung wird beurteilt, ob konkrete Anhaltspunkte für den hinreichenden Verdacht einer Altlast vorliegen oder der Verdacht ausgeräumt werden konnte. Erst wenn sich der Verdacht bestätigt, folgt die vertiefte Detailuntersuchung zum Nachweis der Gefährdung der Schutzgüter. Mit der Detailuntersuchung sind in der Regel die technischen Untersuchungen abgeschlossen.
- Die Ergebnisse der Gefährdungsabschätzung führen entweder zur Sanierung mit vorhergehender Sanierungsuntersuchung und Sanierungsplanung oder zum Ausscheiden der Fläche aus dem Altlastenkataster.
Am Ende jeder Bearbeitungsstufe findet für jeden Einzelfall eine Bewertung statt. Der Abschluss jeder Bearbeitungsstufe wird durch ein Beweisniveau (BN) charakterisiert.
Die Erfassung und die orientierende Untersuchung erfolgen, sofern ein Anfangsverdacht besteht, im Rahmen der Amtsermittlung durch die unteren Bodenschutz- und Altlastenbehörden. Die Detailuntersuchung und die Sanierung sind durch den Verantwortlichen (Pflichtiger nach BBodSchG) durchzuführen.
Ursache der Verunreinigungen
Zu Beginn der systematischen Altlastenbearbeitung standen vor allem die ehemaligen Müllkippen im Vordergrund, doch viel häufiger sind es stillgelegte Industrie- und Gewerbeanlagen, von denen vergleichsweise größere Schäden verursacht wurden.
Mehr als 50 % der altlastverdächtigen Altstandorte können den Betriebszweigen „metallverarbeitende Betriebe, Tankstellen, Kfz-Werkstätten und Betriebshöfe Holzbe- und -verarbeitung sowie chemische Reinigungen“ zugeordnet werden.
Als Schadstoffe treten am häufigsten Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) und aromatische Kohlenwasserstoffe (BTXE) in Erscheinung, gefolgt von Schwermetallen, leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffen (LCKW) und polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK).
Gefährdung der Schutzgüter
Durch Altlasten können die Schutzgüter Boden, Grundwasser, Oberflächengewässer, Flora und Fauna betroffen sein. Da die Empfindlichkeit der verschiedenen Schutzgüter gegenüber Schadstoffen sehr unterschiedlich sein kann, nennt die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung mehrere Wirkungspfade, nämlich Boden - Mensch, Boden - Gewässer oder Boden - Nutzpflanze, die zu überprüfen sind. In Baden-Württemberg ist in den überwiegenden Fällen das Schutzgut Grundwasser durch Einwirkungen aus altlastverdächtigen Flächen und Altlasten betroffen, gefolgt von dem Schutzgut Mensch und Nutzpflanze.
Baden-Württemberg hat mit der stufenweisen Altlastenbearbeitung gleichzeitig ein standardisiertes Bewertungssystem entwickelt. Am Ende jeder Bearbeitungsstufe wird der Erkenntnisstand zusammengefasst und geprüft, ob eine weitere Bearbeitung des Einzelfalls erforderlich ist oder nicht.
Eine wichtige Funktion hat dabei die Altlastenbewertungskommission bei den Stadtkreisen und Landratsämtern, der unter der Federführung der jeweiligen unteren Bodenschutz- und Altlastenbehörde Vertreter aller sonstigen fachlich berührten Behörden sowie der LUBW angehören. Dieses Gremium bewertet die Ergebnisse der Untersuchungen auf der Basis ausschließlich fachlicher Gesichtspunkte, erteilt Empfehlungen für die Sanierung und berät die untere Bodenschutz- und Altlastenbehörde bei Sanierungsentscheidungen.
Ziel der Bewertung ist die Priorisierung und Einstufung der Gefährdung der bearbeiteten altlastverdächtigen Flächen bzw. Altlasten. Der Abschluss jeder Bearbeitungsstufe wird durch ein Beweisniveau (BN) charakterisiert. Auf jedem Beweisniveau bewertet die Bewertungskommission die einzelnen Wirkungspfade nach einheitlichen Kriterien und legt den Handlungsbedarf für das weitere Vorgehen fest. Die Priorisierung dient insbesondere bei den kommunalen Fällen als Maß für die Dringlichkeit der Bearbeitung und der bevorzugten finanziellen Förderung der Fälle. Die Bewertungsergebnisse werden durch die unteren Bodenschutz- und Altlastenbehörden zeitnah im Bodenschutz- und Altlastenkataster erfasst.
Das „Modellstandortprogramm“ wurde im Jahr 1987 eingeführt mit dem Ziel, Verfahren und Techniken für die Untersuchung, Sanierung und Überwachung zu entwickeln und zu erproben.
Zur Umsetzung des Modellstandortprogramms wurden zunächst acht repräsentative altlastverdächtige Flächen ausgewählt, an denen verschiedenste Techniken zur Untersuchung und zur Sanierung erprobt werden sollten. Es handelte sich dabei um
- ein ehemaliges Gaswerk,
- drei alte Industrieabfallablagerungen,
- vier alte Hausmülldeponien bzw. Mischmülldeponien
Wichtigstes Kriterium bei der Auswahl der Standorte innerhalb des Modellstandortprogramms (MOST) war eine möglichst weitgehende Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf viele andere Standorte in Baden-Württemberg.
In Ergänzung und Erweiterung der Modellstandortkonzeption wurde 1992 ein Rahmenkonzept „Vorhaben mit Modellcharakter" erarbeitet. Wie bei den Modellstandorten sollten auch bei den Vorhaben mit Modellcharakter verschiedene Methoden und Techniken vergleichend eingesetzt werden mit dem Ziel, die Effektivität einzelner Maßnahmen bzw. Kombinationen unterschiedlicher Methoden allgemein bzw. unter bestimmten Randbedingungen zu ermitteln. Hierzu wurden insgesamt 7 Vorhaben ausgewählt.
Während die Maßnahmen an den Modellstandorten unter der organisatorischen und koordinierenden Leitung der damaligen Landesanstalt für Umweltschutz durch sogenannte Standort-Ingenieurbüros durchgeführt wurden, lag die organisatorische Leitung bei den Vorhaben mit Modellcharakter indessen beim jeweiligen Unternehmensträger. Alle Maßnahmen wurden mit allen beteiligten Behörden und Kommunen in enger Zusammenarbeit und durch die Bildung von örtlichen Arbeitskreisen abgestimmt.
Ein entscheidender Punkt bei der Bearbeitung an den Modellstandorten und an den Vorhaben mit Modellcharakter war seit Anbeginn eine vertiefte Bearbeitungsweise unter Beteiligung der Forschung und Wissenschaft. Bei einzelnen Fragestellungen und Projekten wurden die Universitäten des Landes hinzugezogen.
Die Ergebnisse der Modellstandortbearbeitung finden sich in zahlreichen Arbeitshilfen wieder. In diesen Materialien werden die folgenden Themen beschrieben:
- Grundsatzfragen
- Einsatzmöglichkeiten von Untersuchungs- und Sanierungstechniken
- Bewertung von Techniken
- Verfahrensempfehlungen
- Arbeitsschutz
- verwaltungsmäßige Behandlung
- fachtechnische Prüfung, Genehmigung
- Vertragswesen
- Vergabe, Abwicklung
Somit konnten mit den Ergebnissen aus der Modellstandortbearbeitung die Grundlagen für eine systematische Altlastenbearbeitung geschaffen werden.
Modellstandorte und Vorhaben mit Modellcharakter
Als „Modellstandorte“ wurden im Jahre 1987 folgende 8 Standorte ausgewählt:
- Bitz - ehemaliger Müllplatz Bitz „Halde" (Malm)
- Osterhofen - ehemalige Deponie Osterhofen (eiszeitliche Kiese und Sande, Alpenvorland)
- Leonberg - ehemalige Deponie Leonberg „Wanne" (Gipskeuper)
- Mannheim - ehemaliger Schutt- und Müllabladeplatz „Scheidthorst" (eiszeitliche Kiese und Sande, Rheinebene)
- Mühlacker - ehemalige Sonderabfalldeponie Mühlacker „Eckenweiher Hof" (Gipskeuper)
- Herten - ehemalige Deponie „Rheinfelden - Herten" (quartäre Kiesfüllung)
- Geislingen - ehemaliges Gaswerk Geislingen (Talfüllung über Lias)
- Kürzell - Altablagerung von Rückstandsschlämmen aus chemischen Reinigungen (eiszeitliche Kiese und Sande, Rheinebene).
Zusätzlich ist im Jahr 1989 der Modellstandort
- Eppelheim - „Kiesgrube Feld Eppelheim", ehemalige Deponie (quartäre Lockergesteinsfüllung)
dazugekommen.
Als „Vorhaben mit Modellcharakter“ wurden 1992 folgende 5 Standorte ausgewählt:
- Mühlacker - Der ehemalige Modellstandort Mühlacker wurde seit 1994 als Vorhaben mit Modellcharakter weitergeführt.
- Kürzell - Der ehemalige Modellstandort Kürzell wurde 1994 als Vorhaben mit Modellcharakter weitergeführt.
- Teningen - ehemalige Müllkippe (Kiese und Sande, Freiburger Bucht)
- Pforzheim - ehemaliges Betriebsgelände einer Lösemittelaufbereitungsfirma
- Sinsheim - ehemaliges Betriebsgelände eines Holzschutzmittelverarbeitenden Betriebes (bindige Lockerböden bis 10m unter Gelände)
Zusätzlich kamen 1997 die folgenden Standorte dazu:
- Karlsruhe - ehemaliges Gaswerk (tonig-lehmige Deckschicht, Kiese und Sande, Rheinebene; Kinzig-Murg-Rinne)
- Kehl - ehemalige Teerölproduktefabrik und Gaswerk (Kiese und Sande, Rheinebene
- Tübingen - ehemaliges Betriebsgelände eines metallverarbeitenden Betriebes (quartäre Kies- und Aueablagerungen des Neckars, verzahnt mit Hangschuttsedimenten über Bunten Mergeln aus dem Keuper)
Weitere Informationen zu den Modellstandorten finden Sie u.a. in den folgenden Berichten:
Die unteren Bodenschutz- und Altlastenbehörden erfassen die altlastverdächtigen Flächen und Altlasten im Boden- und Altlastenkataster (BAK) und übermitteln die vereinbarten Pflichtdaten an die UIS-Referenzdatenbank. Regelungen zur Datenführung und zum Datenaustausch geben vor, welche Daten als Pflichtdaten zu führen sind. Diese sind im sog. Objektartenkatalog verzeichnet.
Die Datenverantwortung und Datenherrschaft liegt dezentral bei den Stadt- und Landkreisen als untere Verwaltungsbehörden. Die lokale Datenhaltung wird für Zwecke der landesweiten Berichterstattung ergänzt durch die zentrale Datenhaltung in der UIS-Referenzdatenbank der LUBW.
Zur Abwicklung der kommunalen Altlastenbearbeitung haben Land und Kommunen 1988 den kommunalen Altlastenfonds gegründet. Über diesen Fonds fördert das Land Baden-Württemberg die Behandlung (Untersuchung, Sanierung, Überwachung) kommunaler altlastverdächtiger Flächen und Altlasten und fördert kommunales Flächenrecycling auf Altlastenflächen.
Derzeitige rechtliche Grundlage für die Vergabe von Fördermitteln sind die Richtlinien über die Förderung von Maßnahmen zur Behandlung altlastenverdächtiger Flächen und Altlasten (FrAl) vom 25. März 2014 (GABl. S. 188), die am 1.5.2014 in Kraft getreten sind. Die orientierende Untersuchung wird zu 100 % gefördert, Detail- und Sanierungsuntersuchung sowie Sanierungsmaßnahmen in Form einer Anteilsfinanzierung. Über die finanzielle Förderung der Untersuchungen und Sanierungen von altlastverdächtigen Flächen und Altlasten informieren die Regierungspräsidien.
Über die Gewährung von Zuschüssen entscheidet entweder ein unabhängiger Verteilungsausschuss beim Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (UM) oder die jeweiligen Regierungspräsidien je nach Höhe der beantragten Fördersumme.
Das Land hat seit 1988 841 Mio. Euro an Fördermitteln für die kommunale Altlastenbehandlung ausgegeben.