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Breites Spektrum an Umweltschadstoffen in Greifvogeleiern nachgewiesen

Greifvögel stehen am Ende der Nahrungskette und reichern damit langlebige Schadstoffe besonders stark an. In einer Untersuchung von 17 Eiern verschiedener Greifvogelarten konnte die LUBW diverse Schadstoffe nachweisen. Diese werden zum Beispiel in Kosmetika oder als Pflanzenschutzmittel eingesetzt.

Die EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit fordert eine verstärkte Überwachung von Chemikalien in der Umwelt und setzt sich als Teil des europäischen „Green Deals“ zum Ziel, bis 2050 eine schadstofffreie Umwelt zu schaffen. Dass es bis dahin noch ein Stück Weg zu gehen ist, zeigen die aktuellen Ergebnisse der Untersuchung.

Mithilfe modernster Analysetechniken (wide-scope target screening) wurden insgesamt 17 im Nest verbliebene, abgestorbene Eier von Wanderfalke, Steinkauz und Uhu auf mehr als 2.400 Umweltschadstoffe untersucht. Um auch Umweltschadstoffe aufzuspüren, die derzeit nicht im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, wurden die Proben zudem einem so genannten Verdachts-Screening unterzogen. Dies ermöglicht die Identifizierung von mehr als 65.000 Substanzen durch einen Vergleich der Massenspektren mit hinterlegten Datenbankeinträgen.


Bild zeigt: Zwei Steinkauz-Jungvögel. Bildnachweis: VOLODYMYR KUCHERENKO/stock.adobe.com

Durch die gezielte Untersuchung der Greifvogeleier auf bestimmte Substanzen wurden insgesamt 48 Verbindungen nachgewiesen, die folgenden Substanzklassen zuzuordnen sind: Pflegeprodukte, Pharmazeutika und deren Metabolite (28%), Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS, 24%), Pflanzenschutzmittel und deren Metabolite (PSM, 26%), Industriechemikalien (15%), Stimulantien (5%) und Konservierungsmittel (2%).


 

Grafik zeigt: Prozentuales Vorkommen der in den 17 Greifvogeleiern gemessenen Substanzklassen. Bildnachweis: LUBW

Die Verbindungen Perfluoroktansulfonsäure PFOS (wurde in der Vergangenheit vielfach als Imprägniermittel und Feuerlöschschaum verwendet), 4,4-DDE (Pestizid), Hexachlorbenzol (Pestizid) sowie die beiden Polychlorierten Biphenyle (PCB) 138 und 153 (chlorhaltige Industriechemikalien) wurden am häufigsten in den Greifvogeleiern nachgewiesen. Sie reichern sich im Organismus beispielsweise durch die Nahrung an (bioakkumulierend), sind beständig (persistent) und giftig (toxisch). Obwohl diese Verbindungen durch die Stockholm-Konvention (auch POP-Konvention) in der EU schon seit dem Jahr 2005 weitestgehend verbannt sind, kommen sie weiter in der Natur vor. Die gemessenen Konzentrationen lassen jedoch keine nachteiligen Effekte auf die Greifvögel erwarten.

In den meisten Eiern wurde zudem die Verbindung Methylparaben gemessen, die als Konservierungsstoff in Kosmetika, Lebensmitteln und Pharmazeutika Verwendung findet. In manchen Organismen (Bakterien, Pflanzen, Insekten) wird sie auch natürlicherweise als Pheromon synthetisiert. Untersuchungen in Mäusen und Ratten zeigen, dass Methylparaben östrogenähnlich wirksam ist. Aufgrund der bislang fehlenden Datenlage zur Toxizität und hormonähnlichen Wirkung von Methylparaben auf Geifvögel kann bislang jedoch keine Einschätzung der Auswirkungen vorgenommen werden. Aufgrund ihrer Wirkung und dem Nachweis in fast allen untersuchten Greifvogeleiern sollte diese Verbindung jedoch zukünftig weiter untersucht werden.

Durch das Verdachts-Screening wurden in den Greifvogeleiern 44 weitere Chemikalien detektiert. Diese standen zunächst nicht im Fokus der Aufmerksamkeit, besitzen jedoch das Potential, sich im Nahrungsnetz anzureichern. Einige dieser Verbindungen wurden in vielen Eiern und teilweise in höheren Konzentrationen detektiert. Aufgrund von schädlichen Substanzeigenschaften kann zum derzeitigen Kenntnisstand ein nachteiliger Effekt auf die Entwicklung der Greifvögel nicht ausgeschlossen werden. Die Substanzen werden vor allem als Industriechemikalien eingesetzt. Eine sichere Identifizierung und Quantifizierung dieser Verdachtssubstanzen kann jedoch nur anhand eines Referenzstandards erfolgen, was für nachfolgenden Untersuchungen vorgesehen ist.   

Das Wissen zu Risiken und möglichen chronischen Auswirkungen der im Verdachts-Screening ermittelten Substanzen auf wildlebende Tierarten hinkt den modernen analytischen Methoden noch hinterher. Die Untersuchung von Umweltproben mittels dieser Methodik zeigt insgesamt aber ein großes Potential für eine vorsorgende Schadstoffanalyse. Zudem ermöglicht sie es, die zunehmend komplexer werdende Belastungssituation aquatischer und terrestrischer Ökosysteme aufzuzeigen.

Die hier vorgestellten Daten werden durch Einspeisung in internationale Datenbanken, wie zum Beispiel der NORMAN-Datenbank, der Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Damit werden aktuelle Bemühungen unterstützt, die Schadstoffaufnahme in Lebewesen in regulatorischen Prozessen zu berücksichtigen.

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Bildnachweis: TypoArt BS/shutterstock.com