Stand der Regenwasserbehandlung in Baden-Württemberg
Regenwasser, das in Siedlungen auf versiegelte Oberflächen fällt und abgeleitet wird, wird ebenfalls als Abwasser betrachtet. Es ist meist weitaus weniger verschmutzt als Abwasser aus dem häuslichen oder industriellen Bereich, kann aber dennoch Nähr- und Schadstoffe aus der Siedlungsfläche enthalten.
Für einen wirksamen Gewässerschutz sind deswegen Anlagen zur Regenwasserbehandlung erforderlich. Zur Zwischenspeicherung von Regenwasser kommen in der Mischwasserkanalisation meist sog. Regenüberlaufbecken bzw. in der Trennkanalisation sog. Regenklärbecken zum Einsatz. Die Regenbecken werden üblicherweise aus Emissionssicht zur Einhaltung des Standes der Technik gebaut. Infolge gewässergezogener Anforderungen – also aus Immissionssicht – können zusätzlich nachgeschaltete Reinigungsstufen wie bspw. Retentionsbodenfilter erforderlich sein.
Mit dem Bau von Regenüberlaufbecken und Regenklärbecken wurde bereits in den 1970er Jahren begonnen. Der Ausbaugrad ist in den 1990er Jahren besonders stark angestiegen. Ende des Jahres 2022 betrug das Gesamtbeckenvolumen etwa 3,9 Mio. m³ und hat sich gegenüber den Vorjahren geringfügig erhöht. Es standen in der Mischkanalisation etwa 7.000 Regenüberlaufbecken und in der Trennkanalisation etwa 870 Regenklärbecken zur Verfügung.
Um den sogenannten Ausbaugrad der Regenwasserbehandlung zu berechnen, wird das bestehende Beckenvolumen mit dem Beckenvolumen verglichen, welches laut eines standardisierten Berechnungsverfahren aus Emissionssicht benötigt wird. Der Ausbaugrad liegt in Baden-Württemberg insgesamt bei 96 %. In die Berechnung fließen u.a. örtlich spezifische Regenintensitäten mit ein. Da es nicht wirtschaftlich ist, ein Kanalnetz auf jede erdenkliche Niederschlagsintensität auszulegen, kommt es bei mittleren bis starken Regenereignissen zu sogenannten Mischwasserentlastungen. Dabei wird verdünntes Mischwasser ungereinigt direkt in die Gewässer eingeleitet.
Mit dem Bau und Betrieb von Regenüberlaufbecken (RÜB) wird flächendeckend ein wichtiger Beitrag für den Gewässerschutz geleistet. Viele dieser RÜB in Baden-Württemberg entlasten jedoch in abflussschwache Gewässer, was zu hydraulischen und stofflichen Belastungen führen kann. Daher besteht Handlungsbedarf, um Auswirkungen von regenwetterbedingten Einleitungen in Gewässer weiter zu reduzieren und Bedingungen zu schaffen, unter denen der gute ökologische Zustand bzw. das gute ökologische Potenzial erreicht werden kann. Hierfür wurde der LUBW-Leitfaden für die Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Gewässer in Baden-Württemberg – Mischsystem erarbeitet.
Neben dem ausstehenden Restausbau gibt es Verbesserungspotenzial bei der Betriebsweise der Regenwasserbehandlungsanlagen. Ein wichtiger Schritt ist die Erfassung des Entlastungsverhaltens (Entlastungshäufigkeit und -dauer). Derzeit gibt es im Land ca. 7.000 Regenüberlaufbecken, von denen ca. 4.500 mit Messeinrichtungen ausgestattet sind (Stand 2025). Um den sachgerechten Umgang mit diesen Messdaten sicherzustellen, wird im Auftrag des Umweltministeriums in Zusammenarbeit mit der DWA-Baden Württemberg derzeit eine Arbeitshilfe erarbeitet, die voraussichtlich Anfang 2026 publiziert wird.
Seit einigen Jahren wird zudem das Konzept des Urbanen Wasserressourcenmanagements stärker umgesetzt. Im Gegensatz zu dem bisher verfolgten Ansatz einer möglichst raschen Ableitung von Regenwasser in die Kanalisation verfolgt dieses das Ziel, dezentrale Lösungen zur Versickerung, Verdunstung, Nutzung sowie zur Speicherung und gedrosselten Ableitung von Regenwasser umzusetzen. Somit werden Kanäle und Kläranlagen entlastet, Stoffeinträge in die Gewässer vermindert und der natürliche Wasserkreislauf besser nachempfunden. Außerdem können so Grünanlagen mit hohem Erholungswert und Kühlungswirkung geschaffen werden.
Mit der Strategie zum Urbanen Wasserressourcenmanagement für Baden-Württemberg [PDF] liegt ein wichtiger Baustein der Zukunftsstrategie Wasser und Boden und der Klimaanpassungsstrategie Baden-Württembergs vor. Die Extremwetterereignisse der letzten Jahre haben eindringlich gezeigt, dass der Umgang mit der Ressource Wasser in Städten und Gemeinden neu gedacht und umgesetzt werden muss.
Weiterführende Links:
Leitfaden für die Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen - Mischsystem
Lagebericht Kommunales Abwasser 2023
Anlagenbezogener Gewässerschutz in Umweltdaten Online (UDO)
Umweltdaten 2021 - Mit Informationen zur Abwasserbeseitigung in Baden Württemberg
