Klimawandel - Biologische Folgen

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, der auch in Baden-Württemberg Veränderungen in Natur und Umwelt mit sich bringt. Die langfristige kontinuierliche und landesweite Erfassung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Flora und Fauna in Gewässer-, Boden-, Wald- und Grünland-Ökosystemen anhand von Bioindikatoren ist Aufgabe des Klimabiomonitorings. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Ausbreitung gebietsfremder Arten, sogenannter Neobiota, und die Veränderung einheimischer Tier- und Pflanzengesellschaften gelegt. Ergebnisse des Klimabiomonitorings der Medienübergreifenden Umweltbeobachtung sind integraler Bestandteil des Monitoringberichts zum Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg.

Flechten als Klimawandelindikatoren

 Das Bild zeigt einen naturnahen Buchenmischwald   Das Bild zeigt Flechten die auf der Baumrinde leben


Flechten sind Pilze die mit einem oder mehreren Photosynthese betreibenden Partnern wie Grünalgen oder Cyanobakterien in symbiotischer Lebensgemeinschaft leben. Sie passen ihre Areale an sich verändernde Lebensraumbedingungen an. Dies lässt sich beispielhaft für auf der Rinde von Bäumen lebende (epiphytische) Flechtenarten nachweisen. Flechten reagieren vergleichsweise empfindlich auf Klimaveränderungen, da sie als wechselfeuchte Organismen direkt mit der Atmosphäre interagieren. Im Gegensatz zu Gefäßpflanzen sind sie im Winter stoffwechselaktiv und eignen sich daher auch, um Witterungsveränderungen in den Wintermonaten anzuzeigen. 
Die Veränderungen der Flechtengemeinschaften werden in Baden-Württemberg an Walddauerbeobachtungsflächen der Medienübergreifenden Umweltbeobachtung systematisch untersucht. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf 45 Flechtenarten, die als „Klimawandelindikatoren“ eingestuft sind, da sie in milden und eher atlantisch geprägten Klimagebieten beheimatet sind. Sie breiten sich von Westen und Süden kommend nach Norden und Osten hin aus. 

Von Mitte der 1980er-Jahre bis heute hat die durchschnittlich erfasste Anzahl wärmeliebender Flechtenarten zugenommen. Seit 2002 verläuft diese Entwicklung beschleunigt. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 21 unterschiedliche Klimawandelindikatoren nachgewiesen. Entsprechend der für die Kartendarstellung gewählten Kategorisierung weisen 11 von 17 Waldstandorten beim Vergleich der Zeiträume 1986-1996 und 2002-2018 eine Zunahme der Klimawandelindikatoren auf. Selbst in kühlen, teils über 1.000 Meter hoch gelegenen Wäldern lässt sich diese Entwicklung beobachten. Die Zunahme wärmeliebender Flechtenarten vollzieht sich somit im gesamten Bundesland und in allen Höhenstufen. 

 Anhand einer Karte Baden-Württembergs wird die mittlere Anzahl der 45 Flechtenarten, die als Klimawandelindikatoren gelten, räumlich am Ort ihrer Kartierung dargestellt. Die Daten jeden Standortes werden dabei zeitlich differenziert mittels drei Säulen dargestellt. Der erste Zeitraum umfasst die daten von 1986, 1991 und 1996 (blaue Säule), der zweite Zeitraum die Jahre 2002 und 2009 (gelbe säule) und der dritte Zeitraum bündelt die Daten von 2015 und 2018 (rote Säule). Deutlich wird zum einen die Zunahme der Flechtenarten und zum anderen deren Ausbreitung von Westen und Süden nach Osten und Norden.
 

Auf Grundlage dieser Untersuchungen wird über wärmeliebende Flechten als Klimawandelindikator im 2021 veröffentlichten "Monitoringbericht 2020 zur Anpassungsstrategie an den Klimawandel in Baden-Württemberg" berichtet.

Flechten tolerieren zwar widrigere Umweltbedingungen, dennoch reagieren sie empfindlich, schnell und artspezifisch abgestuft auf chemische oder physikalische Veränderungen ihrer Umwelt. Sie nehmen Nähr- und Schadstoffe über ihre gesamte Oberfläche auf, reichern diese an und sterben bei zu hoher Belastung ab. Somit eignen sich Flechten auch bestens als Bioindikator für saure und eutrophierende Immissionen.
Der Untersuchungsbericht "Flechtenmonitoring auf Walddauerbeobachtungflächen, Kartierung 2018 und Auswertung der Erhebungen 1986 bis 2018" liefert Ergebnisse dazu sowie weiterführende Informationen zur Datengrundlage und zur Erhebungsmethodik.