Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen 

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS, auch bekannt unter Per-und polyfluorierten Chemikalien - PFC) umfassen mehr als 4.000 Substanzen anthropogenen Ursprungs, die seit den 1950-er Jahren aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften industriell hergestellt und vielfach verwendet werden. Sie finden sich zum Beispiel in Outdoor-Textilien, Schuhen, antihaft-beschichteten Pfannen und Töpfen, Lebensmittelverpackungen, Fotopapier, Feuerlöschschäumen, Teppichen, Wandfarben und Reinigungsmitteln. 

Am Kohlenstoffgerüst unterschiedlicher Kettenlänge sind die Wasserstoffatome teilweise (poly-) oder vollständig (per-) durch Fluoratome ersetzt, wobei sich polyfluorierte Verbindungen als Vorläufersubstanzen (Precursor) auch zu perfluorierten Verbindungen abbauen können.

Dargestellt sind die Strukturformeln der beiden Leitverbindungen Perfluoroktansulfonsäure und Perfluoroktansäure
Die hohe Kohlenstoff-Fluor-Bindungsenergie führt zu einer hohen thermischen und chemischen Stabilität, wodurch die PFAS praktisch nicht natürlich abbaubar sind. Dadurch reichern sie sich in der Umwelt an und sind mittlerweile in allen Umweltmedien nachweisbar: In Wasser, Böden, Atmosphäre, pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln, aquatischen und terrestrischen Tieren sowie in Blut und Muttermilch des Menschen.  

Neben ihrer Persistenz besitzen langkettige PFAS (≥ 6 Kohlenstoffatome) auch bioakkumulierende Eigenschaften und ein umweltschädigendes und gesundheitsgefährdendes Potenzial. Kurzkettige PFAS reichern sich weniger stark an, sind aber umso mobiler in der Umwelt und toxikologisch noch wenig erfasst.

Eintrag in die Umwelt

PFAS können bei der Herstellung, dem Gebrauch und der Entsorgung in die Umwelt gelangen. Je nach Molekülstruktur und Substanzeigenschaft passieren sie als wasserlösliche, mobile Stoffe die Kläranlagen und verteilen sich über die Wasserwege oder reichern sich im Klärschlamm an und können so auf landwirtschaftliche Flächen gelangen, wo sie außerdem von Pflanzen aufgenommen werden können. Flüchtige PFAS können in die Atmosphäre emittieren, wo sie partikelgebunden weite Strecken zurücklegen und sich durch Niederschläge in den entferntesten Regionen wieder auswaschen können. Auch umweltoffene Brandlöscheinsätze mit fluorhaltigen Schäumen (sog. AFFF-Schäume) sind oftmals verantwortlich für Verunreinigungen von Böden und Grundwasser mit PFAS.

PFAS in Baden-Württemberg

Im Jahr 2013 begann die Aufdeckung einer großflächigen Verunreinigung von landwirtschaftlichen Flächen und Grundwasser durch PFAS. Betroffen sind die Kreise Rastatt/Baden-Baden und Mannheim. Als Ursache dafür wird das mehrjährige Düngen landwirtschaftlicher Flächen mit Komposten, welchen PFAS-haltige Papierabfälle beigemischt wurden, vermutet. 

 

Weitere Untersuchungen der LUBW zum Thema PFAS 

Untersuchungen des Referates 22 - Boden, Altlasten

PFC-Karten Online des Referates 42 - Grundwasser

Publikationen der LUBW zu PFAS

Weiterführende Informationen zum PFAS-Schadensfall in Baden-Württemberg

Stabstelle PFC im Regierungspräsidium Karlsruhe 

Bioakkumulation und Biomagnifikation von PFAS

Als Bioakkumulation wird die Stoffanreicherung in einem Organismus durch das Umgebungsmedium oder die Nahrung bezeichnet, als Biomagnifikation die Stoffanreicherung durch die Nahrungsaufnahme entlang der Nahrungskette. 

Besonders die höherkettigen PFAS besitzen ein hohes Bioakkumulations- und Biomagnifikationspotential. So weisen zahlreiche nationale und internationale Monitoringstudien PFAS in verschiedenen Tierarten nach, darunter auch in arktischen Eisbären und Robben.

Seitdem die höherkettigen PFAS (C8-C14) wegen ihrer besorgniserregenden Eigenschaften (Kriterien hierfür sind u.a. persistente, bioakkumulative, toxische, krebserzeugende und fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften) in die Kandidatenliste der europäischen Chemikalienvorordnung REACH aufgenommen wurden, weichen Unternehmen vermehrt auf kurzkettige PFAS aus, die jedoch mit ihrer Mobilität in Wasser und Boden und ihrer Langlebigkeit ebenfalls besorgniserregende Eigenschaften aufweisen und zudem toxikologisch unzureichend charakterisiert sind.
 
Im Zuge der Medienübergreifenden Umweltbeobachtung der LUBW werden seit 2008 PFAS-Untersuchungen in Resteiern des Wanderfalken durchgeführt. Dieser ist aufgrund seiner Position an der Spitze des Nahrungsnetzes ein guter Indikator für langlebige und bioakkumulierbare Schadstoffe und zeigt das Anreicherungsmuster verschiedener PFAS.

LUBW (2013): Perfluoroverbindungen (PFC) in Eiern von Wanderfalken aus Baden-Württemberg

LUBW (2020): Schadstoffanreicherung in Wanderfalkeneiern aus Baden-Württemberg
 
Anhand von Regenwürmern und Kleinsäugern wurde der Übertritt von PFAS im Boden in die Nahrungskette untersucht. Dabei zeigte sich eine beträchtliche und artspezifische Anreicherung in Regenwürmern bis zu 280-fach höher als im Boden. Von den untersuchten Kleinsäugern zeigten sich beträchtliche PFAS-Gehalte in Spitzmäusen und eine Anreicherung entlang des Nahrungsnetzes.

Balkendiagramm der PFAS-Gehalte in verschiedenen Regenwurm- und Kleinsäugerarten am Waldstandorte Kirchheim unter Teck. Die Regenwurmart Aporrectodea longa reichert mit 23 ng/g etwa 12-mal mehr PFAS an als die Regenwurmart Lumbricus rubellus. Die herbivore Erdmaus reichert 3 ng/g PFAS an, die überwiegend herbivore Rötelmaus 6 ng/g und die carnivore Waldspitzmaus 156 ng/g. Den größten Anteil macht dabei durchgehend die Perfluroctansulfonsäure aus.

Abbildung: PFAS-Gehalte in Regenwurmproben und Lebern von Kleinsäugern am Waldstandort Kirchheim u.T. [ng/g Frischgewicht]. Poolproben bestehend aus n=10 für Lumbricus rubellus, n=5 für Aporrectodea longa, n=4 für Erdmaus , n=2 für Rötelmaus, n=3 für Waldspitzmaus. Quelle: LUBW.

LUBW (2020): PFC in Böden und Übertritt in die Nahrungskette

LUBW (2015): Untersuchung von Boden, Grundwasser und Regenwürmern auf organische und anorganische Schadstoffe in den Landkreisen Karlsruhe und Rastatt sowie im Stadtkreis Baden-Baden


Die erhobenen Schadstoffdaten werden in übergreifende Datenbanken integriert. So kann ein Baustein zur Verbesserung der Informationslage beigetragen werden, da es einige Bemühungen gibt, Hinweise von Schadstoffakkumulationen in Biota in regulatorische Prozesse miteinzubinden.

Toxikologie und Ökotoxikologie der PFAS

Die Toxizität einiger PFAS, insbesondere der beiden Leitsubstanzen Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) und Perfluoroktansäure (PFOA) wurde umfassend untersucht. Für die meisten PFAS, besonders für die kurzkettigen und für Vorläuferverbindungen, steht eine toxikologische Bewertung jedoch noch aus. 

Akut gelten PFOS und PFOA als gering toxisch. Langzeitstudien aber zeigten die Entstehung von Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, die Begünstigung erhöhter Cholesterinwerte, negative Auswirkungen auf die Reproduktion (Fruchtbarkeit und Spermienqualität) sowie eine Beeinträchtigung der Immunität, des Fettstoffwechsels und des Hormonhaushaltes. Auch für einige kurzkettige PFAS liegen mittlerweile Hinweise auf eine Beeinträchtigung des Hormonhaushaltes vor.
Anders als bei vielen anderen bioakkumulierenden Substanzen reichern sich PFAS nicht im Fett an, sondern binden an Proteine und werden so in Blut, Leber und Niere gespeichert und angereichert. 

Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, Bewertungsgrundlagen für PFAS-Belastungen in Boden und Grundwasser zu konkretisieren.  

Die LUBW ist Mitglied in der LAWA/LABO (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser/Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Boden) Kleingruppe „Ableitung von Geringfügigkeitsschwellenwerten für das Grundwasser - PFC“. 
Geringfügigkeitsschwellenwerte dienen dem Schutz des Grundwassers vor schädlichen Verunreinigungen. In dieser Kleingruppe wurde die ökotoxikologische und toxikologische Datenlage von 13 PFAS, die oberhalb der Bestimmungsgrenze im Grundwasser nachgewiesen wurden, recherchiert, bewertet und zusammengetragen. Der toxikologische Pfad erwies sich bei allen untersuchten PFAS sensitiver als ökotoxikologische Endpunkte. Die abgeleiteten GFS-Werte beruhen daher alle auf humantoxikologischen Endpunkten. 

Ableitung von Geringfügigkeitsschwellen für das Grundwasser – Per- und polyfluorierte Verbindungen (2017)

Im August 2018 erfolgte der Erlass des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg zur Anwendung der Geringfügigkeitsschwellenwerte für per- und polyfluorierte Chemikalien zur Beurteilung nachteiliger Veränderungen der Beschaffenheit des Grund- und Sickerwassers aus schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten.

Erlass zur Anwendung der Geringfügigkeitsschwellenwerte für PFAS des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (2018)

Von der Trenck et al (2018): Significance thresholds for the assessments of contaminated groundwater: perfluorinated and polyfluorinated chemicals. Environ Sci Eur 30:19