FFH-Lebensraumtyp 3270 – Schlammige Flussufer mit Pioniervegetation
Dieser Lebensraumtyp umfasst naturnahe Fließgewässer mit einjähriger, stickstoffliebender Pioniervegetation aus Gänsefuß- oder Zweizahn-Gesellschaften auf den schlammigen Ufern. Da die entsprechenden Standorte (vegetationsfreie schlammige Uferstreifen und Schlammbänke) im Frühjahr und Frühsommer noch überflutet sind, ist dieser Lebensraumtyp durch kurzlebige Pflanzenarten gekennzeichnet. Die Schlammablagerungen entstehen durch Überflutung bei Hochwasser im Uferbereich meist großer Flüsse.
Biotoptypen Baden-Württembergs
Folgender Biotoptyp für die freie Landschaft, den besiedelten Bereich oder die Wälder, mit seiner Schlüsselnummer ist dem FFH-Lebensraumtyp 3270 zugeordnet:
- 34.22 – Vegetation einer Schlammbank oder eines Teichbodens
Eine ausführliche Beschreibung aller Biotoptypen ist enthalten in der LUBW-Publikation
Datenschlüssel Baden-Württemberg: „Arten, Biotope, Landschaft – Schlüssel zum Erfassen, Beschreiben, Bewerten".
Kennzeichnende Pflanzengesellschaften
- Verbände Bidention tripartitae und Chenopodion rubri (Fluß-Gänsefuß-Gesellschaft)
Kennzeichnende Pflanzenarten
- Roter Gänsefuß (Chenopodium rubrum)
- Dreiteiliger Zweizahn (Bidens tripartitus)
- Schwarzfrüchtiger Zweizahn (Bidens frondosus)
- Spitzkletten-Arten (Xanthium spp.)
- Knöterich-Arten (Polygonum spp.)
Schlammige Uferstreifen und Schlammbänke sind ein wichtiger Lebensraum für zahlreiche, auf diesen Lebensraum spezialisierte Tier- und Pflanzenarten (Weichtiere, Insekten, Vögel). Schlammige Flussufer mit Pioniervegetation sind nach Landesnaturschutzgesetz (NatSchG) bzw. Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geschützt.
Gesamtverbreitung
Schlammige Flussufer mit Pioniervegetation sind vor allem in den EU-Staaten West-, Mittel- und Südeuropas verbreitet. Ihr nördlichstes Vorkommen findet sich in Irland, das südlichste auf Sizilien.
In Deutschland ist das Vorkommen des Lebensraumtyps 3270 begrenzt auf große Flussläufe. Seine Hauptverbreitung und sein artenreichstes Vorkommen befindet sich im Rheintal sowie entlang der Flüsse Elbe und Oder.
Verbreitung in Baden-Württemberg
Die wertvollsten Bestände dieses Lebensraumtyps in Baden-Württemberg befinden sich am Oberrhein. 2018 beträgt die gemeldete LRT-Gesamtfläche 40 ha. Alle bekannten Bestände des LRT liegen in FFH-Gebieten.
Bestandsentwicklung in Baden-Württemberg
Die Verbreitung und Fläche des LRT sind stabil. Schutzmaßnahmen aus dem Rheinprogramm und Renaturierungen an der Donau können die Struktur und Funktion langfristig positiv beeinflussen. Durch eine erhöhte Anzahl von Hochwasserereignissen gehen Kiesel verloren und der Anteil an Schlamm erhöht sich. Dies kann durch den Klimawandel verstärkt werden, welches zu einer Gefährdung durch Neophyten führen kann, welche zu einer Abwertung der Qualität des LRT führt.
Gefährdung und Schutz
Rote Liste Biotoptypen | Schutzstatus | FFH-Richtlinie |
Baden-Württemberg | Baden-Württemberg | Anhang |
|
| I |
Stand 2019
Gefährdungsursachen
- Veränderung der natürlichen Gewässer- und Uferstruktur (z. B. Begradigung, Uferbefestigungen, Buhnenbau, Bau von Staustufen)
- Starke Ausbreitung von Neophyten [z. B. Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)]
- Intensive Freizeitaktivitäten im Uferbereich (Badebetrieb)
- Aufgrund einiger weniger, kleinflächiger Bestände, können vielfältige ansonsten eher unproblematische Handlungen im Einzelfall zu Beeinträchtigungen führen und somit für den Gesamtbestand des Lebensraumtyps in Baden-Württemberg gravierende Folgen haben
Schutzmaßnahmen
- Förderung der Fließgewässerdynamik (z. B. durch Rückbau von Uferbefestigungen, Zulassen von Hochwasserdynamik, Erhaltung und Rückgewinnung von Retentionsflächen)
- Eventuell mechanische Entfernung von Neophytenfluren (vermutlich nur in Einzelfällen sinnvoll)
- Reduktion der Freizeitaktivitäten durch Konzepte zur Besucherlenkung (ggf. Sperrung besonders wertvoller Uferabschnitte)
- Einrichtung von Pufferzonen zur Verhinderung von Nähr- und Schadstoffeinträgen
Schutzprojekte
- Umsetzung der FFH-Richtlinie
FFH-Erhaltungszustand
Die FFH-Richtlinie ist eine Naturschutz-Richtlinie der EU, deren Name sich von Fauna (= Tiere), Flora (= Pflanzen) und Habitat (= Lebensraum) ableitet. Wesentliches Ziel ist die Erhaltung der biologischen Vielfalt durch den Aufbau eines Schutzgebietssystems für die Lebensraumtypen des Anhangs I und Arten des Anhangs II der Richtlinie. Außerdem werden die Erhaltungszustände der Lebensraumtypen und Arten (Anhang II, IV, V) überwacht.
FFH-Gebiete
Karten und Steckbriefe (mit Angabe der Flächengröße, den vorkommenden LRT und Arten etc.) zu den FFH-Gebieten erhalten Sie im Daten- und Kartendienst der LUBW.
Erhaltungszustand des Lebensraumtyps in Baden-Württemberg
Verbreitungsgebiet | Fläche | Strukturen und Funktionen | Zukunftsaussichten | |
Einzelbewertung | günstig | günstig | ungünstig-unzureichend | ungünstig-unzureichend |
Gesamtbewertung | ungünstig-unzureichend |
Stand 2018
Weitere Informationen zu den Erhaltungszuständen der FFH-Lebensraumtypen erhalten Sie auf den Natura 2000-Internetseiten der LUBW.
Erhaltungszustand aller FFH-Lebensraumtypen in Baden-Württemberg (pdf; 0,3 MB)
LUBW-Fachpublikation „Beeinträchtigung von FFH-Gebieten" Naturschutz-Praxis, Natura 2000: Beeinträchtigungen, Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen von Lebensraumtypen und Lebensstätten von Arten zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Baden-Württemberg –1. Auflage 2002)
Steckbrief des Lebensraumtyps 3270 als PDF: PDF