Natur und Landschaft
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Offenland-Biotopkartierung
Unter dem Begriff „Biotop“ (griechisch bios: Leben; topos: Ort, Raum) versteht man einen räumlich abgegrenzten Lebensraum mit relativ einheitlichen Lebensbedingungen wie z.B. einen Teich, eine Wiese, eine Hecke. Er ist durch eine charakteristische Pflanzen- und Tierwelt gekennzeichnet. Besonders wertvolle Biotope sind im Offenland nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und § 33 Naturschutzgesetz Baden-Württemberg (NatSchG) geschützt.
Mit der Gesetzesänderung zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland am 1. März 2022 wurden die Mageren Flachland-Mähwiesen (FFH-LRT 6510) und Bergmähwiesen (FFH-LRT 6520) in den Katalog der gesetzlich geschützten Biotope nach § 30 BNatSchG aufgenommen.
Die Biotopkartierung ist eine systematische Erfassung von Lebensräumen nach methodisch einheitlichen Vorgaben. Ziel ist eine Inventarisierung der Landschaft nach naturschutzrelevanten Gesichtspunkten. Die Biotopkartierung in Baden-Württemberg liefert einen Überblick über Lage, Verbreitung und Zustand von naturschutzfachlich wertvollen Flächen.
Lebensräume, die in ihrem Vorkommen in Europa (potentiell) bedroht, sehr selten oder einzigartig sind, sind nach der europäischen FFH-Richtlinie (Fauna = Tierwelt, Flora = Pflanzenwelt, Habitat = Lebensraum) von „gemeinschaftlichem Interesse“. Ziel dieser Richtlinie ist es, die FFH-Lebensraumtypen (FFH-LRT) in einem „günstigen Erhaltungszustand“ zu bewahren oder einen solchen wiederherzustellen.
Die Biotopkartierung erfüllt vor allem folgende Aufgaben:
- Vollzug des Bundesnaturschutzgesetzes und Naturschutzgesetzes BW durch Ermittlung der geschützten Biotopflächen und des Zustands der geschützten Biotope
- Ermittlung des Vorkommens und der Verbreitung der FFH-Lebensraumtypen sowie Überwachung des Erhaltungszustandes der FFH-Mähwiesen im Rahmen der FFH-Berichtspflicht zu Natura 2000
Die Biotopkartierung bildet die Grundlage und Datenquelle für:
- Eingriffsregelung des Naturschutzgesetzes (Beurteilung von Eingriffen in Natur und Landschaft)
- Inanspruchnahme von Förderungen nach der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) oder nach dem Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT)
- Umsetzung von Biotopverbundsystemen
- Erstellung von Biotophilfskonzepten
- Ausweisung von Schutzgebieten
- Landschaftspflegemaßnahmen
- spezielle Artenschutzmaßnahmen
- Grunderwerb naturschutzwichtiger Flächen
- Landschafts- und Flächennutzungsplanung
- langfristige Beobachtung der Entwicklung von Natur und Landschaft
- wissenschaftliche Arbeiten und Untersuchungen
In Baden-Württemberg wird die Offenland-Biotopkartierung von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) durchgeführt, die Waldbiotopkartierung von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA).
Ziel des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) ist es, die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie die Vielfalt, Eigenart, Schönheit und den Erholungswert von Natur und Landschaft zu sichern. Bestimmte Teile von Natur und Landschaft, die besondere Bedeutung als Biotop haben, werden unter § 30 gesetzlich geschützt. Das Naturschutzgesetz BW (NatSchG) ergänzt die bundesgesetzlich geschützten Biotoptypen in § 33. In der Anlage 2 zu § 33 NatSchG werden nur die landesrechtlichen Biotoptypen definiert. Für die bundesrechtlich festgelegten Biotoptypen ist auf die Definition in der Gesetzesbegründung des BNatSchG zurückzugreifen.
Mit der Gesetzesänderung zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland am 1. März 2022 wurden die Mageren Flachland-Mähwiesen (FFH-LRT 6510) und Bergmähwiesen (FFH-LRT 6520) in den Katalog der gesetzlich geschützten Biotope nach § 30 BNatSchG aufgenommen. Die Biotope sind unmittelbar kraft Gesetzes und flächendeckend geschützt, es bedarf keiner gesonderten Unterschutzstellung durch Verordnung oder Verwaltungsakt.
Die rechtliche Grundlage der Lebensraumtypen-Kartierung bildet die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) . Ziel dieser Richtlinie ist unter anderem durch den Erhalt der natürlichen Lebensräume die biologische Vielfalt zu sichern. Innerhalb der FFH-Gebiete sollen geeignete Maßnahmen getroffen werden, um eine Verschlechterung der Erhaltungszustände der FFH-Lebensraumtypen zu vermeiden. Nach Artikel 11 dieser Richtlinie sind alle Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, den Erhaltunszustand der FFH-Lebensraumtypen in und außerhalb der FFH-Gebiete zu überwachen. Neben der Überwachung des Erhaltungszustandes muss jeder Mitgliedstaat alle sechs Jahre die wesentlichen Ergebnisse des Monitorings und der durchgeführten Maßnahmen an die Europäische Kommission übermitteln (Artikel 17).
Die schutzwürdigen naturnahen Lebensräume der Kulturlandschaft wie Magerwiesen oder -rasen sowie Wacholderheiden, sind durch die menschliche Nutzung entstanden und haben erst so ihren hohen ökologischen Wert erhalten, der sie zu europaweit bedeutsamen Lebensräumen macht. Um den Schutzzweck, die Erhaltung dieser Lebensräume, zu erfüllen, ist auch weiterhin eine standortgerechte Bewirtschaftung erforderlich. Eine Nutzungsintensivierung oder -änderung darf jedoch nicht dazu führen, dass die Lebensräume beeinträchtigt werden.
Um die Erhebung durchzuführen ist es den Kartierenden als Beauftragte der LUBW grundsätzlich erlaubt, Grundstücke zu betreten und Privatwege zu befahren (§ 52 NatSchG). Die Eigentümer:innen, Besitzer:innen und die restliche Bevölkerung werden im Vorfeld mithilfe der Gemeindemitteilungsblätter oder auf andere ortsübliche Weise über die anstehenden Geländearbeiten informiert.
Die LUBW erfasst die gesetzlich geschützten Biotope und trägt sie in Listen und Karten mit deklaratorischer Bedeutung ein. Demnach besteht der gesetzliche Schutz der Biotope auch ohne Eintrag in die Listen und Karten. Die Kartierung dient lediglich der Klarstellung bzw. Konkretisierung und Information Dritter. Die rechtlichen Regelungen ergeben sich aus bestehenden Gesetzen. Sie sind unabhängig von der Erhebung wirksam, da sowohl die Biotope als auch die FFH-Lebensraumtypen auch ohne Kartierung geschützt sind.
Nach Kartierende werden die Biotop- und Mähwiesendaten im Daten- und Kartendienst der LUBW kostenlos zur Verfügung gestellt.
Folgen für die/den Eigentümer:in
Laut § 30 BNatSchG sind „Handlungen, die zur Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung der Biotope führen können, verboten“.
Für die FFH-Lebensraumtypen, ergeben sich zwei Betrachtungsebenen:
1. innerhalb von FFH-Gebieten
In FFH-Gebieten gilt insbesondere das Verschlechterungsverbot nach § 33 BNatSchG. Demnach sind alle Veränderungen und Störungen, die sich negativ auf FFH-Lebensraumtypen auswirken können, unzulässig. Das Verschlechterungsverbot gilt auch, wenn keine Förderung nach der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) oder dem Förderprogramm für Agraumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) beantragt wurde.
Ein Umbruch oder eine sonstige erhebliche Beeinträchtigung von FFH-Lebensraumtypen stellt im Regelfall ein genehmigungs- und/oder anzeigenpflichtiges Vorhaben dar. Daher sind bei Vorhaben und Projekten vor ihrer Zulassung oder Durchführung FFH-Verträglichkeitsprüfungen nach § 34 BNatSchG durchzuführen.
2. außerhalb von FFH-Gebieten
Außerhalb von FFH-Gebieten stellen ein Umbruch oder sonstige wesentliche Beeinträchtigungen von z. B. FFH-Mähwiesen einen erheblichen Eingriff in Natur und Landschaft nach § 14 BNatSchG dar. Außerdem kann eine schwere Beeinträchtigung oder Zerstörung von FFH-Mähwiesen
dazu führen, dass eine Schädigung von natürlichen Lebensräumen nach dem Umweltschadensgesetz (i. V. m. § 19 Abs. 1 BNatSchG) vorliegt. Der Verantwortliche ist für die Durchführung von Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zuständig.
Bei Verlust von FFH-Mähwiesen können mit den unteren Naturschutzbehörden Verträge zur Wiederherstellung abgeschlossen werden.
Förderungen einer extensiven Bewirtschaftung von Biotopen und FFH-Mähwiesen sind grundsätzlich über das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) möglich. Hierbei werden keine Bewirtschaftsauflagen, sondern nur -empfehlungen gemacht.
Die Förderung nach FAKT sieht folgendermaßen aus:
Bezeichnung | €/ha | |
---|---|---|
B 4 | Extensive Nutzung von § 30/33-Biotopen | 280 |
B 5 | Extensive Nutzung von FFH-Mähwiesen | 280 |
B 3.1 | Artenreiches Dauergrünland mit 4 Kennarten | 230 |
B 3.2 | Artenreiches Dauergrünland mit 6 Kennarten | 260 |
B 6 | Messerbalkenschnitt auf artenreichem Dauergrünland / §30/33-Biotopen /FFH-LRT | 50 |
Trotz der Änderungen zum Schutz der FFH-Mähwiesen als gesetzlich geschützte Biotope erfolgt die Förderung der FFH-Mähwiesen weiterhin nach FAKT B5.
Bei einzelnen Sonderfällen (z.B. komplizierte Rotationsweidekonzepte) oder zusätzlichen naturschutzfachlichen Anforderungen (z.B. Wiesenknopf-Ameisenbläuling) ist eine Förderung über die Landschaftspflegerichtlinie (LPR) möglich.
Die Förderung nach LPR sieht folgendermaßen aus:
Bezeichnung | €/ha | |
---|---|---|
3.2 | Zweischürige Mahd und kein Stickstoffdüngung | 400 |
3.3 | Mehr als zweischürige Mahd und keine Stickstoffdüngung zur Aushagerung von brachgefallenem Grünland | 440 |
3.4 | Mehr als zweischürige Mahd und keine Stickstoffdüngung zur Aushagerung von Intensivgrünland | 410 |
3.5 | Zweischürige Mahd und angepasste Stickstoffdüngung | 350 |
3.6 | Mehr als zweischürige Mahd und angepasste Stickstoffdüngung | 310 |
Von den 285 Biotoptypen werden 40 % als gefährdet und 4 % als stark gefährdet eingestuft. Für den überwiegenden Anteil der Biotoptypen haben sich die Gefährdungssituation und die Ursachen ihrer Gefährdung seit 2002 nicht wesentlich verändert. In der Summe geben die aktuellen Gefährdungseinstufungen keinen Grund zur Entwarnung. Die Rote Liste zeigt auf, für welche Biotoptypen eine weitere Verstärkung der Naturschutzmaßnahmen geboten ist, um die Situation naturschutzfachlich bedeutsamer, gefährdeter Biotoptypen zu verbessern.
Rote Liste der Biotoptypen Baden-Württemberg - mit naturschutzfachlicher Beurteilung